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Warum Inobhutnahmen kein Kinderschutz sind

Kinder verkraften sowas besser als man glaubt."

"Die Kinder haben sich gut eingewöhnt."


Sind nur ein paar der realitätsverkennenden Behauptungen, die Eltern häufig während Inobhutnahmen zu hören kriegen.


Wie verkraften Kleinkinder die Trennung von Mutter / Vater / einer geliebten Bindungsperson?


Das Erlebnis einer Inobhutnahme und damit der Trennung von Hauptbindungspersonen ist nichts, das ein Kleinkind einfach vergisst, wenn es wieder mit der Bindungsperson vereint ist. Das ist schon seit mehr als 60 Jahren bekannt, und dennoch greifen immer mehr Mitarbeiter des Jugendamtes zu diesem "ultima ratio", diesem eigentlich letzten Mittel, als erstes Mittel. Immer mehr Kinder werden SOFORT in Obhut genommen und unter "akuten Kindeswohlgefährdung" ad acta gelegt.


Denn wie wir alle wissen ist das Jugendamt stets unterbesetzt, die Mitarbeiter sind überarbeitet und ziehen diese "schnelle Lösung" der eigentlichen Arbeit, die sie leisten müssten vor. Eine Inobhutnahme geht schnell und die "Gefahr" ist gebannt. Aber ist das Kindeswohl damit wirklich geschützt?


Keineswegs. Bei einer Inobhutnahme kann von Kindeswohl keine Rede sein.


Bowlby schrieb 1960 bereits über die Folgen von der Trennung von Mutter und Kind. Bowlby zufolge, hat eine Trennung von der Hauptbindungsperson ohne adequaten Ersatz die Folge, dass das Kind emotional verkümmert.


Dies führt zu irreversiblen langzeitigen Konsequenzen im kindlichen Intellekt, und in der sozialen und emotionalen Entwicklung.


Nun werden viele erleichtert aufatmen. OHNE adequaten Ersatz, aber die Kinder werden ja betreut, dann haben sie doch jemanden, der sich um sie kümmert. Nein, eine Fremdbetreuung ist kein adequater Ersatz für eine geliebte Bindungsperson.


Eine Fremdbetreuung die mehr als 45 Stunden pro Woche andauert, bei Kindern bis zum 54. (4,5) Lebensjahr hat deutlich negative Einflüsse auf die Entwicklung. Noch dazu schadet es der Bindung, was wiederrum das Risiko für spätere Verhaltensstörungen erhöht.

NICHD Early Child Care Research Network: Early Child Care and Children's Development Prior to School Entry: Results from the NICHD Study of Early Child Care: American Educational Research Journal, 39(1):2002, S. 133-164.


Die größten Risiken für das Bindungssystem des Kindes sind Betreuungswechsel, -abbruch und fehlende Bindung zur Betreuungsperson.

Haug-Schnabel, G. Bensel, J., Kirkilionis, E.: Mein Kind in guten Händen: Wie Kinderbtreuung gelingen kann. Herder, Freiburg, 1997, S. 15.


Ganz zu schweigen davon, dass junge Kinder nach Bolwby selbst dann, wenn sie im eigenen Zuhause verbleiben und Verwandte oder bekannte Personen als Ersatz sofort zur Verfügung stehen, dennoch auf den Verlust eines gelieben Menschen mit Verzweiflung und Trauer reagieren. Selbstverständlich wird diese Trennung und dieser Verlust umso schlimmer und intensiver, wenn zusätzlich eine fremde Umgebung und fremde Personen Angst auslösen.


Wie reagieren Kinder auf dieses Trauma einer Inobhutnahme?


Wenn ein Kind von der Mutter / der Hauptbindungsperson getrennt wird, reagiert es ähnlich wie Erwachsene auf den Verlust eines geliebten Menschen durch den Tod: Mit Trauer. Aber einer Trauer, die so tiefgreifend ist, dass es das kindliche System nicht verarbeiten kann. (zitiert nach Bolwby, 1960)


In einer ersten Phase wird es stark protestieren und Versuche unternehmen die verlorene Person wiederzufinden.


"Ich habe dich überall gesucht Mama, aber du warst nicht da. Ich wollte nicht alleine schlafen, aber du warst nicht da."

Sohn einer betroffenen Mutter


Sie weinen viel und laut, schreien, und rufen nach der verlorenen Person. Früher oder später, wahrscheinlich erst nach einigen Tagen, setzt Verzweiflung ein und die Hoffnung schwindet. Das Kind wird apathisch, zurück gezogen.


"Eine Verzweiflung, die womöglich nur durch vereinzeltes Weinen und Jammern unterbrochen wird. Sie befinden sich in einem Zustand unerklärlichen Leides."

(zitiert nach Bolwby, 1960)


Zum Vergleich ein paar äußerlich sichtbare Anzeichen für Schock bei Kindern aus dem Buch Erste Hilfe für traumatisierte Kinder (Andreas Krüger, Patmos Verlag, 9. Auflage, 2020).

  • Das Kind hat sichtlich unaussprechliche Angst

  • Das Kind reagiert nicht auf Ansprache

  • Das Kind zittert

  • Das Kind wimmert ausdruckslos

  • Das Kind verschließt sich jeder Annäherung oder wehrt diese angstvoll ab

  • Die Augen können ängstlich oder verloren ins Leere starren

  • Säuglinge schreien und lassen sich kaum beruhigen oder sie erstarren


Der größte Fehler den Pädagogen, und das Jugendamt stets machen ist zu glauben, ein ruhiges Kind sei ein gesundes Kind.


Anzunehmen, das Kind habe die Trennung verkraftet, das Kind habe sich "eingewöhnt", geschweige denn die Eltern vergessen, weil es ruhig wird und die Protestreaktionen aufhören ist fatal. Das Jugendamt neigt aufgrund dessen dazu den Kontakt zwischen Eltern und Kind über Wochen oder sogar Monate zu untersagen, alles im Namen der "Eingewöhnung" oder damit das Kind "zur Ruhe kommt". Das ist selbstverständlich das Gegenteil dessen, was ein kleines Kind in diesem Moment benötigt. Ihnen wird das dringenste Bedürfnis verwehrt und das Kind damit in einen Zustand absoluter Hoffnungslosigkeit gestürzt. Die Ruhe ist kein Zeichen dafür, dass es dem Kind besser geht, sondern für den Zustand tiefster Trauer und den dauerhaften Stress, dem das Kind ausgesetzt ist.


Wenn Kinder ganztägig fremdbetreut werden geraten sie in einen Zustand der körperlichen und seelischen Erschöpfung. "Ein so erschöpftes Kind hat ein aktiviertes Bindungssystem und damit erhöhte Stresswerte - und es erlebt im Prinzip ein Burn-Out. Dieser Zustand beeinflusst das Stresssystem ein Leben lang, der Preis für die zu lange Betreuung ist also sehr hoch." (Zitat: Schmidt, N. (2018). artgerecht. Das andere Kleinkinderbuch. Verlagsgruppe random house)


Das bedeutet, obwohl seit Jahrzehnten bekannt ist, dass Bindung das primäre und WICHTIGSTE Bedürfnis von kleinen Kindern ist, und eine Trennung von den Bindungspersonen ein massives Trauma auslöst mit langfristigen Konsequenzen, ziehen es die Pägagogen, die es besser wissen müssten, vor, das Trauma zu verstärken, indem man den Kindern das Recht auf Kontakt zu ihren Eltern untersagt und vice versa. Damit wird es Kindern regelmäßig erschwert, nicht erleichtert, sich in der neuen Situation sicher zu fühlen.


Eine Inobhutnahme stellt also IN JEDEM FALL für Kinder eine massive Traumatisierung dar.


Ganz zu schweigen davon, dass Kinder in der Regel in ein Kinderschutzhaus oder ein Kinderheim gebracht werden, die keinesweg Stabilität, Kontinuität und Bindungspersonen bieten können, die lange anhalten, so dass die Situation für die Kinder in der Regel sehr belastend bleibt.


Aus diesem Grund MUSS eine Inobhutnahme weiterhin LETZTES Mittel bleiben.


Unterbesetzung und Faulheit dürfen auf keinen Fall Rechtfertigungen für das regelmäßige Versagen und die Inkompetenz der Jugendamt Mitarbeiter sein. Wenn es um das Kindeswohl geht, dann DÜRFEN solche Fehler nicht passieren, denn solche Fehler, kosten Kinder ihre körperliche und psychische Gesundheit, es kostet sie ihre Zukunft!


Quelle: Der Artikel enthält Schilderungen aus den Artikeln Grief and Mourning in Infancy and Early Childhood (1960) und Seperation Anxiety (1960) von John Bowlby


 
 
 

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